Dienstag, 3. April 2007

Unbau(m)-Haft

Eigentlich sollten wir in diesem Moment auswählen, ob wir den San Bernadino oder den Gotthard stürmen. Hätte sich nicht gestern mittag eine heftige Mittelohrentzündung in die Planung eingeschoben. Onkel Ohrendoktor blieb gnadenlos: so wird nicht über die Alpen gefahren.

Also gut, kaufen wir eben die halbe Apotheke leer, treffen dabei die Neue im gescheiterten-Ehedrama-2006/4. Endlich jemand, der mit beiden Beinen auf den Füßen steht und sich wirklich um die Kids kümmert.

Zu Hause weiter dem Onkel Ohrendoktor-Rezept gefolgt und Kind vor Fernseher verfrachtet. Ja, das wurde ernsthaft verschrieben. Alle pädagogischen Bau(m)herrinnen-Bedenken wurden beiseite geschoben, Lesen sei zu anstrengend, das Kind soll fernsehen. Das darf der Onkel Ohrendoktor nur, weil er wirklich Bau(m)herrinnen-Onkel ist.

Da saßen wir - plötzlich arbeitslos und an das Haus gebunden. Die fortschreitende Bau(m)herren-Degenerierung offenbarte sich beim Versuch, unsere Fassade für das Hotel zu sanieren. Beim ersten Blick auf das Bein dachten wir an Wechseljahre und Hormonschwankungen. Längeres Nachdenken brachte uns auf des Rätsels Lösung: irgendwann im Bautrubel hatten wir ein halbes Bein rasiert. Der Wuchslänge nach zu urteilen muss das in der Tapetenphase gewesen sein. Nachdem wir mit unseren pinkfarbenen Farbklecksen vor ein paar Jahren nichtsahnend den Trend der Klecks-Jeans eingeführt haben, könnten wir ja dieses Mal ...

Nein, besser wir legen eine Baustopp-Phase ein, sonst drehen wir noch völlig ab. Da winkt im Mailkasten die Aufforderung der Delegierungs-Künstler. 20-jähriges Diplom - kann jemand die Kandidaten aufstöbern? Hmm, eigentlich haben wir keine Lust auf Karriere-News. Das sind inzwischen sicher alles knallharte Juppies, während wir irgendwo in den letzten 20 Jahren von der Strecke abgebogen sind und nicht mal mehr sicher sind, ob man Yuppie oder Juppi schreibt...

... etwas lustlos nehmen wir das Ehemaligen-Verzeichnis und beginnen bei A. Die ersten vier Telefonate landen bei Ehefrauen, die leicht misstrauisch klingen. Siehste - die Jungs sind alle um 20:30 Uhr noch beschäftigt. Wir bitten um Rückruf - bis heute hat keiner stattgefunden.

Bei E angekommen der erste Kandidat am Apparat. "Was, Du bist in X? Was um Himmels Willen machst Du denn da???"
Ja, das Städle passt nicht zu unserer Ausbildung, aber ich habe eine französische Bekannte, mit der ich mindestens einmal im Monat parliere.

Drei Sätze später erfahren wir, dass Kandidat 1 diese Woche noch mit weiterem Kandidat aus mittlerem Alphabet nach X kommt. Im Laufe des Gespräches gewinnen die verblassten 20 Jahre alten Erinnerungsbilder an Kontur. Sollte die Mittelohrentzündung uns noch weiter an X fesseln, gehen wir demnächst mit einer wichtigen Delegation Kaffee trinken. In X - *grins*.

Mit der gewonnenen Erinnerungs-Kontur verlassen wir das A bis Z-Verfahren und suchen uns ein paar Schmankerln raus. Der nächste ist erstmal problematisch - die Dame am Apparat erklärt leicht anpikiert, dass er schon lange nicht mehr unter dieser Nummer zu erreichen sei. Eigentlich noch nie. Danke, wir wollen nichts genaueres darüber erfahren. Scheiternde und gescheiterte Ehen sind definitiv nicht unser Spezialgebiet.

Dank der widerwillig übermittelten Handynummer wird er doch noch ein Volltreffer - unser Semester-Sonnenschein ist immer noch so sonnig wie damals. Wir begleiten ihn von Regensburg bis München, philosophieren völlig fachfremd über Kinder, den Sinn des Lebens und noch zu schreibende Bücher.

Etwas beleidigt sind wir, weil er bestens über uns informiert ist. Wer hat da geplappert? Ach, Herr NotorischeUnruhe. Das ist mal wieder typisch - warum übernimmt der nicht die Liste? Egal, die Fahrt nach München war so unterhaltsam wie schon lang nicht mehr. Heute morgen liegt ein Bild von den Kindern im Mailfach - sind die knuffig!

Zur Strafe gestern noch bei einer misstrauischen Ehefrau angerufen - immer noch nicht daheim. Es ist 22:00 Uhr, vielleicht wären wir auch so langsam misstrauisch...

Heute morgen weiter im Text. "Kann ich bitte Herrn X sprechen?"
"Der arbeitet nicht mehr hier, schon lange nicht mehr."
www.telefonbuch.de führt uns zu seiner Frau. Die kennt uns, hat keinen Grund misstrauisch zu sein, denn hier ist die Karriere auch abgebogen. Wir erhalten mehr Infos und Telefonnummern, das ist ja ein richtiger Ameisenhaufen. Der in Zürich registrierte Herr sitzt inzwischen in Südafrika, aber die schon vor langer Zeit von X nach Y gezogenen Herrschaften wissen, wie man ihn auftreibt.

Mit deren weiblicher Vertretung verbringen wir fast eine Stunde am Telefon - herrlich. Wie konnten wir das alles nur vergessen? Drei Kinder und nebenher baut sie ganze Dörfer - cool. Wir sind uns einig: Bauen erhält den gesunden Menschenverstand.

Ca 25 Telefonate und emails später haben wir fast keine Stimme mehr, aber eine wichtige Erkenntnis dazu gewonnen: in 4 Jahren gewonnene Vertrautheit läßt sich nach 20 Jahren leicht wieder herstellen. Ganz ohne Heißluftpistole.

Die Charaktere sind immer noch wie früher - inclusive Herr NotorischeUnruhe. Dieser ruft an, weil angeblich Bau(m)herrinnen-Nummer auf seiner "Anruf-in-Abwesenheit-Liste" gestanden sei. Kann nicht sein. Dann mailt er, wen er aktivieren wird. Das muss nicht an mich gehen, sondern an die Chefin det janzen. Dann mailt er, wen er vermutlich aktiviert hat. Wie spannend, das war der, der in vormail angekündigt wurde. In der Zwischenzeit haben wir drei weitere Fälle aktiviert - ganz ohne Ankündigung und Vermutung. Unser Semester-Sonnenschein meldet sich auch nur, wenn er definitive Resultate hat. Und die hat er.

Der Herr Störfaktor hat schon zu Prinzen-WG-Zeiten Bau(m)prinzessins Papierkorb kontrolliert und ihren frisch eroberten Liebhaber beim Frühstück einem unmöglichen Verhör unterzogen.

Du wirst nicht zurückgerufen. Und auch nicht mail-beantwortet. Spätestens seit Ostern vor zwei Jahren Dein gesamter Hausstand mitsamt Kindern und Tieren durch unseren Haushalt fegte und Du zwei Tage später wieder angefegt bist - alles ohne Ankündigung und Vermutlichkeit - wissen wir unsere Ruhe zu schätzen.

Einmal im Jahr darfst Du uns die endlos-Kapitel Deines und anderer Leute endlos-scheiternder-Ehedramen berichten. Für dieses Jahr ist das Soll erfüllt. Wir wollen auch nicht, dass Du unsere verflossenen Lieben in halb Europa aufstöberst und findest, wir sollten sie anrufen.

Grmpf - jetzt kommt schon wieder mail mit bekanntem Absender. Ein monatealter Bericht aus einem anderen Kontinent. Wir sollten auch auf unserer Bau(m)stelle mittels coaching one on one testen, wie wir mindestens X% externe Erträge erreichen und ob unser management team ausreichendendes Wachstumspotenzial in emotional intelligence und dingsbums skills hat. Das 'no profit' bekommen wir dafür locker hin. Die entscheidende Frage wird in dem langen Mailwechsel natürlich nicht beantwortet: Zusage oder Absage??

Wenn das so weiter geht, wirst Du gemeinsam mit dem anderen endlos-scheiternden-Ehedrama zusammen angeschirrt und darfst Wände klopfen. Unter Regie von Wunderwaffe. Ich geh jetzt 'ne Runde Teppich baddschen.

Keine Kommentare: