Freitag, 2. März 2007

Ballett am Montag

Montag morgen, die Ferien sind zu Ende, Bau(m)herrin sitzt an der zweiten Tasse Kaffee und liest... Bautagebücher.

Punkt 8:00 Uhr: Baumengels Nummer blinkt auf dem Telefon. Zögern: will er absagen? Entscheidungsfindung: und wenn er absagen will, ist es besser, sofort reagieren zu können. Wie reagieren? Gelbe Seiten sind abtelefoniert! Egal, sehen wir später. Grüne Taste drücken, Hörer vorsichtig an's Ohr heben, Namen hauchen.

"Mir fahred jedzd na loos."

"Hä??" -> sehr intelligente Reaktion, Häusle hat eindeutig erstklassigeres Dach.

Während Engel seine Botschaft in geduldig und fast hochdeutscher Version wiederholt, tippt Bau(m)herrin schon Schreiben an Verkäufergemeinschaft wegen Haftung, stammelt nebenbei so etwas wie: 'jajaja doch, prriiima.' Klingt das hochdeutscher oder intelligenter?

Aufgelegt, Schweißausbruch, Kaufvertrag gesucht, Adresse kopiert, ausgedruckt, Schweißausbruch, Herzrythmusbeschleunigung, Datum falsch (September, wir haben doch März. Ach nein, im März darf nicht gefällt werden, also doch Februar), Schweißausbruch, Bademantel auf Boden geworfen, Datum korrigiert, auf Drucken gedrückt, die Treppe hoch, Dusche angeworfen, beim Zähneputzen Dachstuhl eingeschaltet und Checklist aufgestellt:
  • wärmste Jacke (mit sibirischem Autounfall)
  • Thermostiefel (wo haben die sich seit letztem Winter versteckt?)
  • Eimerchen und Schäufelchen für zu rettende Eibchen
  • was hatte Kind gesagt? Genau: kein Mittagessen - Bau(m)herrinnen-frei bis 15:45 Uhr
In die Klamotten geworfen, sibirischer Autounfall ist synthetisch und auffindbar. Thermo-Stiefel ausgerufen, aufgefunden, angezogen (lange Schnürchen bieten Gelegenheit zum Checklist-checken), einen Achter durch EG gedreht, alles eingesammelt, im Garten erneuter Achter für Schäufelchen und Eimerchen und ab geht die Post. Auf der Fahrt ungehemmte Welle des Zweifels ausgelöst durch Erinnerung an Meisterarchitekt. Nummer gewählt - er ist erreichbar - oh je.

Botschaft I: 1. März -> deutlich vernehmbares, tiefes Durchatmen.
Botschaft II: 1.000 € pro Baum -> deutlich hörbar: nichts.
Botschaft III: Baumengel ist losgefahren -> Atmung wieder vernehmbar.
Kurze Schilderung der Baumdiagnosen -> kein Einspruch. Huch?
Auftrag: fotografieren. Oki.

8:25 Uhr: Bau(m)herrin vor Ort, niemand sonst. Erneuter Check:
  • Zähne geputzt? Yep.
  • Eimerchen und Schäufelchen? Yep.
  • Kamera? Hektisches Wühlen im hinteren Bereich. Meisterarchitekten-Mission accomplished.
  • Haare gekämmt? Blick in Spiegel: na ja, könnte sein... eventuell nicht heute...
In Handtasche gekramt, Haargummi gefunden, Rest (der eventuell gekämmten Haare) in Jackensyntethik gesteckt und aus dem Auto gewagt. Da springt Hauptmieter auf die Straße. Er hatte am Samstag in Bademantel und Krawatte dem Bauschulmeister erklärt, dass es egal sei, ob seine Scheinzypressen krank seien, die Autos dahinter seien hässlicher. Und der Apfelbaum habe unbestritten leckere Äpfel, aber nehme ihm das Licht vom Schlafzimmer-Fenster.

Angesichts seiner Herzkerkrankung versucht Bau(m)herrin, ihn schonend auf die kommenden Maßnahmen vorzubereiten. "Wunderbar, machen Sie nur," erhält sie zur Antwort. Na denn.

Zwischen den Checklisten weiterer Einfallsblitz in Bau(m)herrinnen-Dachstuhl: Geschenkbändel in drei Farben, um die Essenz dreier Besprechungen zu markieren. Da die Baumengel immer noch beim 'mir fahred jedzd loos' sind, stürzt sie in den benachbarten Laden. Abteilung Geschenkbändel: viele Bändel in einer Farbe, eine Rolle in einer sehr benachbarten Farbe. Das wird nix.

Daneben schillert es deutlich mehrfarbiger: Gefrierbeutel-Dekoration. Verschlussringe in unterscheidbaren Farben, Etiketten und wasserfester Stift zum Beschriften. Drei Packungen müssten für Vieltausende reichen. Der Geistesblitz, die Etiketten mit den drei verschiedenen Diagnosen zu beschriftet auf jeden Baum zu beppen, wird auf dem Weg zur Kasse wieder verworden. Die Etiketten werden sicher später noch gute Dienste leisten. Z.B. im Haus auf Toilette und Waschbecken: entsorgen!

Zurück auf dem Grundstück werden Bäume markiert. Rot für Fällen, Gelb für Kürzen (die Buchen und ihre 30cm), Grün für 'nicht anrühren'. Für Rot muss schon bald die dritte Packung herhalten, da kurven zwei Fahrzeuge mit Anhang um die Ecke. Ein großes mit rechteckigem Anhang. Klar, das ist für das Gehäcksel. Aber die große Trompete?

Zwei sportliche orangene Männer mit Helm, Augen- und Ohrschützern steigen aus, eine süße Hündin wedelt aus dem Auto entgegen. Chefengel kann angesichts der Plastik-Gefriertruhen-Weihnachtsbaum-Deko das Grinsen nicht unterdrücken und reicht Bau(m)herrin eine blaue Sprayflasche.

Bau(m)herrin schlägt vor, nur die zu markieren, die stehen bleiben. Er stimmt damit überein, dass das deutlich weniger sind. Aber die Farbe geht nicht weg. Als Bau(m)herrin das erste Mal sprüht, verspürt sie gewisse Übelkeit. Wenn die Farbe nicht weggeht, wird sie (die Farbe!) die Bäume auch so umbrigen, sagt ihr der Magen. Sie sprüht tapfer weiter, versucht gegen den (Sprüh-)wind zu atmen.

Die Obstbäume, die eigentlich weg sollten, sind heute auf einmal rettenswert - Bau(m)herrin sprüht dennoch. Denn Mieter hat kein Licht im Schlafzimmer wegen Apfelbaum. Wir retten Birnbaum, bene?

Nach kurzem Rundgang soll es dann losgehen. Eigentlich wollen sie die Ostseite des Altbaus bearbeiten, Bau(m)herrin zückt Schäufelchen, um Mini-Eiben an der Nordseite zu retten. Baumengel beobachtet mit zweifelnder Miene, zückt einen Riesen-Pickel und hackt vier Eibchen aus.

9:26 Uhr: der Engel-Mitarbeiter geht dem Jägerzaun mit Motorsäge und Beil an den Kragen.


Ratzfatz wächst der Berg an der Hauswand. Dann geht die Motorsäge des Meisters los und Bau(m)herrin flieht mitsamt Eimerchen und Minieiben in sichere Regionen. Mitteilung an alle Anhäger von Jägerzäunen: der Zaun war eindeutig morsch.

Der Auftrag des Meisterarchitekten wird erfüllt: fotografieren. Nach dem 2. Bild ist die Karte voll, schnell ein paar Bilder aus der Fasnets-Hochburg gelöscht. Eine Video-Kamera wäre besser gewesen, denn jetzt folgt das wahrhaftige Kettensägen-Ballet. In fließenden Bewegungen tanzt der Engel durch den Wald, mit den Augen wird die Fallrichtung vorgegeben, die Äste und Stämme gehorchen auf den Millimeter. Mitarbeiter-Engel fängt sie auf und schichtet das Holz.

9:51 Uhr:







Von oben beobachtet eine Nachbarin den Tanz und kommentiert: "schade, dass die Männer heute so viel weniger harte, körperliche Arbeit ausführen müssen. Es scheint ihnen gut zu tun." Dann fragt sie, ob im Neubau etwa jemand wohne - der sehe aus wie eine Turnhalle...

10:24 Uhr:

freigelegt

Jetzt kommt die Trompete zum Einsatz: ein gigantischer Häcksler, in den komplette Äste gesteckt werden. Das Häckselgut fliegt in den Anhänger und durch die Luft. Jetzt wird klar, warum die Helme Ohren- und Augenschützer haben. *augenreib*

Das Holz der Fichte ist morsch bis zum Anschlag – sie hätte keine Freude bereitet. In Teilen des Buchenholzes breiten sich Pilze aus. Eine Version ist pink, die andere bläulich-grün, aber nur kurz nach dem Fällen - der Sauerstoff macht wohl alles braun:









Eine ältere Dame läuft schlurft stoisch am Häcksler vorbei, tippt Helferengel auf die Schulter, damit die Zweige zur Seite geschoben werden. Bau(m)herrin schlägt vor, ein kleines Schild hinzustellen, damit die Nachbarschaft außen rum geht.

Baumtänzer meint, den Herrschaften sei angesichts ihres Alters nicht zuzumuten, eine solche Kurve zu schlagen – sie (die Baumtänzer) werden schon aufpassen. Nu gut, sie sind Engel und Engeln widerspricht man nicht.

Eine halbe Stunde später steuert die Dame zurück - direkt auf den größten Asthaufen zu – also kann sie doch Kurven schlagen. Sie pflückt sich zwei Fichtenäste mit Zapfen, schlägt eine erneute Kurve auf den Baumengel mit laufender Motorsäge zu. Dieser hat einen unsichtbaren Rückblickspiegel, macht die Säge aus, nickt und meint, sie könne gerne noch mehr holen. Habe ich erwähnt, dass Holzspäne rutschig ist? Hilfe, aber Engel können Wunder wirken.

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