Mittwoch, 21. März 2007

Unerwarteter Besuch

Gestern mittag klebt Bau(m)herrin wieder an Paris Hilton, Wunderwaffe und Rakete sind ebenfalls im Altbau aktiv. Stimmung ist wie immer gut, Handy klingelt, Meisterarchitekt kündigt sein Kommen an.

"Jungs, jetzt wird gschafft, der Chef kommt gleich."
Wunderwaffe grinst: "Kind kommt von Schule?"
"Nein, Meisterarchitekt kommt."

Die beiden gehen in den Spitzboden, um die gestern abgesprochenen Stellen freizulegen. Es klingelt - das Kind steht unerwartet vor der Tür. Mittagsschule ist jetzt auf spätere Zeit verlegt. Gut, dass wir noch ein warmes LKW* übrig haben. Kind hilft mit an Tapete, klopft Bau(m)herrin kurz darauf auf die Schulter. "Schau mal, da ist jemand." Bau(m)herrin begibt sich in Vertikale, erwartet Meisterarchitekt. Der Kopf, der hier durch Türrahmen ragt, sieht nicht aus wie Meisterarchitekt. Nein, bitte nicht schon wieder jemand, der das Häusle mieten will, wenn wir fertig gearbeitet haben. Oder wissen will, warum wir die Bäume gefällt haben.

Der Herr wirkt irgendwie nicht freundlich. "Zollamt XY, wir kontrollieren Baustellen auf Schwarzarbeit." Jemand hat wieder auf 'fast forward' geschaltet, zwei springerbestiefelte Herren mit Pistole fragen gleichzeitig, laufen von Anwesenheitsliste zu Dachgeschoss, Bau(m)herrin hinterher. Auf Bau(m)herrins Frage erklären die Herren mit abweisendem Ton, dass sie durch die Gegend fahren und im Zufallsprinzip Baustellen kontrollieren, aber auch auf Anzeigen reagieren würden.

Bau(m)herrin weiß, dass hier alles in Ordnung ist. Sie weiß, dass staatliche Autorität eben gelegentlich autoritär sein muss und die beiden einen nicht immer angenehmen Job haben. Aber war es wirklich nötig, den immer höflichen und hilfsbereiten Rakete wie einen Schwerverbrecher die Spitzbodentreppe herunter zu führen?

Wunderwaffe und Rakete werden im Schlafzimmer gleichzeitig verhört, Bau(m)herrin setzt sich auf Bierbank und lächelt beruhigend. Jetzt ruft Meisterarchitekt durch die geöffnete Haustür. Die Atmosphäre wird einen Hauch entspannter. Meisterarchitekt: "Ihr seid in letzter Zeit verstärkt aktiv, was man so hört." Zollherren: "Echt? Wird das gesagt?"
Eine Frage ist halt auch eine Antwort.

Zollherren stellen fest, dass 'vorerst' alles in Ordnung zu sein scheint, verlassen die Bau(m)stelle. Sie wirken auf Bau(m)herrin wie eine Fussballmannschaft, die den Tabellenletzten nicht abservieren konnte.

Alle im Haus Anwesenden kehren zurück zur Arbeit. Wir besprechen weitere Vorgehensweise, Meisterarchitekt und Wunderwaffe untersuchen Schächte und Abortgruben, Wunderwaffe verweigert bei letzterer die Zusammenarbeit. Bau(m)herrin zofft sich mit Nachwuchs um die Tapete, Rakete schweigt und schrubbelt.

Meisterarchitekt und Nachwuchs verlassen Bau(m)stelle, wir machen uns an die Arbeit und sortieren das Geschehene. Wunderwaffes Spachtel in der Küche klingt weniger entspannt als sonst, Rakete und Bau(m)herrin schrubben Tapete im Wohnzimmer, sprechen wenig.
"Das ist uns in den ganzen Jahren noch nie passiert.", staunt Rakete kopfschüttelnd.
"Wie kann man beim Spazierenfahren in unserem Sackgassenzipfele landen?", fragt sich Bau(m)herrin.
"Ich glaube, das war Anzeige."
"Ja, irgendwie ist das alles seltsam."
"Es könnte..." "Da war doch..." Wir reden beide gleichzeitig, kommen unabhängig voneinander auf dieselbe Möglichkeit.

Das Zimmer ist fertig, Bau(m)herrin ruft Kaffeepause aus. Wunderwaffe hat auch gebrütet. Er wird seinen Lieferwagen umgehend mit Werbung und Telefonnummer bekleben lassen, denn Meisterarchitekt hatte darauf hingewiesen, dass gelegentlich Handwerker Anzeige erstatten, wenn sie unbeschriftete Lieferwagen vor Baustellen sehen.

"Aber das waren keine Handwerker, die kommen hier gar nicht vorbei. Ich glaube, das war...", grübelt Wunderwaffe weiter. Wir haben alle drei denselben Gedanken. Letzte Woche hatte die Klette all die seltsamen Fragen gestellt. z.B., ob Wunderwaffe alles auf der Bau(m)stelle mache und ob er wirklich einen Gewerbeschein besitze. Egal, wir haben nichts zu verbergen und werden versuchen, alles zu vergessen. Am Abend verpacken wir die Ofenfliesen, Wunderwaffe klopft vor der Haustür Tapetenschnitzel von Bau(m)herrinen-Knie und alle lachen wieder.

Wir springen in die Autos, Bau(m)herrin saust mit Sophie um die Ecke - was ist denn das? Eine Gestalt löst sich von serbischer Fichte, läuft seltsam krumm zur Nachbarshecke, stellt sich dort in den Eingang. Äm, kann ihm jemand mal sagen, dass die Buchenhecke zu kahl ist, um sich dahinter zu verstecken, und wenn er sich noch in den Eingang quetscht? Bau(m)herrin bleibt auf seiner Höhe stehen, ist ihm etwa übel? Nach einer halben Ewigkeit dreht er den Kopf, Bau(m)herrin nickt grüßend, doch die Gestalt läuft weiter Richtung nix wie weg.

Wunderwaffe und Rakete betrachteten das ganze Schauspiel von der Kreuzung aus und reiben sich ungläubig die Augen. Das alles scheint wie ein schlecht geschriebenes Theaterstück. Wir alle haben die Klette erkannt. Wir werden uns zu den näheren Hintergründen nicht öffentlich äußern, denn wir halten uns an den Verfasser der Nationalhymne, Hofmann von Fallersleben:
Der größte Lump im ganzen Land,
das ist und bleibt der Denunziant.
Im Laufe des Abends werden Bau(m)herrinnen-Instinkte durch Telefonat mit dem Nahen Osten reaktiviert. Ob die Herren höflich oder ruppig waren, ist eine subjektive Einschätzung, wird ihr erklärt. Aaaber: das Kind hat geklingelt, der Architekt hat durch offene Tür gerufen. Die beiden Herren standen einfach mitten im Haus. Ist das so in Ordnung? Bei uns ging alles gut, weil wir sauber sind. Gerade deshalb ermuntert mich der passionierte Bürgerrechtler, die Situation nochmal abzuchecken.

Anruf bei Lieblingsverwaltungsjurist - dieser vermutet auch, dass das so einfach nicht gehen kann. Empfiehlt, einen gemeinsamen Freund anzurufen, der sich auf solche Fragen spezialisiert hat. Noch ein passionierter Bürgerrechtler ;-). Dieser ist im letzten Jahr umgezogen, seine Telefonnummer steht nicht mehr im Telefonbuch. Ein kurzer Blick in google zeigt schnell, warum die Nummer privat geschaltet wurde. Sein Name wird in allen einschlägigen rechtsextremen Foren angeprangert...

Update: eben mit der zuständigen Dienststelle telefoniert. Eigentlich dürfen sie ein Privathaus nicht so einfach betreten. Es kann sein, dass sie gerufen haben, aber die Klingel wäre besser gewesen. Und eigentlich wäre es nicht notwendig gewesen, Rakete beim Treppensteigen so abzusichern. Der Dienststellenleiter (sehr umgänglich) wird die genaue Situation klären und sich wieder melden.

Damit hier nichts in den falschen Hals kommt: wir haben nicht vor, Anzeige zu stellen oder ähnliches. Es geht um Verstehen und Abklären. Sollten Formalien nicht eingehalten worden sein, ist es gelegentlich gut, wenn man daran erinnert, oder nicht?

*LKW = Leberkäsweckle = Leberkäsebrötchen

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