Bau(m)herrin ist die Geduld in Person.
8:30 Uhr hüpft sie durch den total vernebelten Garten und sucht Wunderwaffen-Auto
8:32 Uhr kommen Zweifel auf: haben wir uns etwa erst auf 9:30 Uhr verabredet? Das kann und darf nicht sein, so doof war Bau(m)herrin das letzte Mal vor... drei Tagen?
Das Wetter scheint den üblichen Rythmus einzuhalten: fantastisch, wenn nichts auf Bau(m)stelle anliegt, saukalt, wenn Bau(m)herrin sich längere Zeit dort aufhalten darf. Gestern noch hat Bau(m)herrin sich eingeprägt, entweder Handy und Kamera in den Kofferraum zu packen oder das Dach zu schließen, wenn sie mal kurz das Auto verlässt. Jetzt haben wir ganze 5° Celsius.
Wollsocken in Handtasche, Kamera und Sondermülltüte für Getränkeautomat, To-Do-Liste für Wunderwaffe vor Terassentür gestapelt, Biergarnitur steht bereit. Wenn Wunderwaffe weiter im Nebel stochert, wird er einen LKW benötigen.
8:36 Uhr: Gottseidank, da ist Wunderwaffe mit Mitarbeiter. Bau(m)herrin hatte vor lauter Schreck über schnelle Banken am Vortag vergessen zu tanken, gibt Wunderwaffe den Schlüssel. Ein Fehler.
Betankt an Bau(m)stelle angekommen sieht sie Wunderwaffenmitarbeiter fleißig Ausrüstung in's Häusle tragen. Wunderwaffe selbst hält Konferenz mit einem Unbekannten.
"Da kommt die Chefin.", erklärt Wunderwaffe. Unbekannter wirft kurzen Blick auf Chefin, wendet sich wieder Wunderwaffe zu.
Wunderwaffe: "Ich arbeite jetzt für sie." Unbekannter lässt sich zu einem Gruß herab, stellt sich aber immer noch nicht vor.
"Ich habe Herrn Wunderwaffe eben gefragt, ob das Haus abgerissen werden soll."
"Nein, eigentlich nicht."
"Sie haben so viele Bäume umgesäbelt, da ist doch klar, dass da so ein Riesending mit fünfzig, hundert Wohnungen hinkommt." Sehen wir aus wie Bauträger?
"Es stehen mehr Bäume als gefällt wurden."
"Ach, das da gehört Ihnen auch?" - er zeigt auf Westwald. Wunderwaffe bestätigt nicht ohne Besitzerstolz.
"Das werden Sie doch demnächst auch noch wegmachen, wozu säbeln Sie denn sonst die Bäume alle um?"
Wir stellen fest: dieser Herr wohnt zwar in Bau(m)herrschaftengroßelternwohnung I , ist aber nicht in den Nachbarschafts-Trommel-Kreis eingeschlossen. Uns dämmert langsam auch, warum nicht. Wir haben nämlich eine aufgeschlossene, höfliche und humorvolle Nachbarschaft.
Wie eisen wir Wunderwaffe von dieser Klette los? Klette erklärt, dass Wunderwaffe einmal in seiner früheren Wohnung in der Bau(m)herrengroßelternstraße II beschäftigt hatte. "Ach, welche Hausnummer?" Die genannte Hausnummer gehört dem häßlichen riesigen Bauträgerklotz mit hundertzwanzig, hundertfünfzig Wohnungen. Klette klopft Wunderwaffe auf die Schulter, nennt ihn etwas wie 'Windhund' oder 'Schlitzohr', zwinkert. Was meint er damit? Es geht um irgendeine Kachel für ein Terrarium, die Wunderwaffe ihm nicht bearbeitet hat.
Jetzt löst sich Wunderwaffe von Klette und läuft in's Häusle. Endlich. Drinnen erklärt er Bau(m)herrin, dass er der Klette zwei Wochen lang die Wohnung gerichtet hatte, da habe Klette ihn schrecklich beschimpft. Das lasse er sich nicht bieten, so eine Undankbarkeit. Deshalb habe er die Kachel einfach behalten und war für Klette nicht mehr erreichbar.
Mentale Notiz:
- Nie Wunderwaffe beschimpfen
- Was versteht Wunderwaffe unter 'beschimpfen'?
- Egal, für Klette hätten wir auch nicht arbeiten wollen.
"Warum sind keine Nummern in den Plänen, das wollte Meisterarchitekt doch machen?"
Keine Ahnung, ob wer das machen wollte. Umso mehr Ahnung davon, dass wir uns ganz sicher nicht darauf einlassen werden. Wir machen jetzt nicht das Zeigefingerspiel, hier werden Probleme nicht debattiert sondern gelöst.
"Tragen Sie die Nummerierung in den Plan ein - Meinen Sie, dass klappt?"
"Ja, sicher."
Na geht doch. Können wir jetzt arbeiten?
Bau(m)herrin friemelt Kripo-Siegel von der Haustür, die Türen wandern nummeriert in den Keller. Toilettentür bleibt, aber Kellertüre? "Wir heizen nicht den Keller", befindet Bau(m)herrin, "die bleibt."
Wunderwaffen-Mitarbeiterrakete war schneller. Wunderwaffe läuft hinter ihm her: "He, Rakete, hol die Kellertüre wieder aus dem Keller, die bleibt."
Läuft alles prima. Als Bau(m)herrin sich für kurze Zeit von Bau(m)stelle verabschiedet, hat Klette wieder Wunderwaffe in den Klauen, unterbricht angesichts der Chefin den Redefluss. Ich hab's gehört: 'Euro' und 'schwarz'. Wehe Dir, geschätzte Klette... Bau(m)herrin verabschiedet sich mit blitzenden Warnblicken.
Kurze Zeit später packt Wunderwaffe die Treppe stoßsicher ein, Bau(m)herrin attackiert die 70 Jahre alte Tapete im Schlafzimmer. Sie geht super ab. Arme Rakete flucht im DG über die wesentlich jüngere, ohne Grundierung angebeppte Rauhfaser.
Bau(m)herrin bewundert Wunderwaffes Stufenverpackung - die ist gut. Aber für Griffleiste reicht seine Luftpappe nicht, wir hatten dieses Plastikzeugs besprochen, mit dem Kinder (und Erwachsene) so gerne Mini-Luftballon-Platzen-Lassen spielen. Die habe er in keinem der beiden lokalen Baumärkte bekommen. Das glauben wir gerne und sofort. "Waren die Parkplätze voll?" Egal, er wird es in der Mittagspause nochmal versuchen.
Unter den 70 Jahre alten Tapetenkanten studiert Bau(m)herrin interessiert diverse Viechzeugs-Nester. Drei Bahnen später kommt sie zum Schluss, dass es sich um Spinnennachwuchs-Nester handeln muss. Wunderwaffe flucht über Treppenverpackungsaktion. Die dauert ihm viel zu lange. Wir Menschen sind seltsam gestrickt. Während ich stolz auf meinen erst 70 Jahre alten Altbau bin, weil wir in der Region aus vielerlei Gründen wenig erhaltenswerte Altbauten haben, findet Wunderwaffe alles Neue schöner, weil in seiner polnischen Heimat zu viele Altbauten erhalten werden können...
"Hat Handelsfirma X diese Folie?", eröffnet Wunderwaffe die nächste Runde. Bau(m)herrin hat gewichtige Gründe, nichts auf den Ruhm der Handelsfirma X kommen zu lassen, aber Mini-Ballons gehört sicher nicht in deren Sortiment. Oder doch? Kurzer Anruf bei Firma X, der Mitarbeiter kann Kichern nicht unterdrücken, nennt Konkurrenzbaumarkt als mögliche Quelle.
So wird das auf jeden Fall nie was mit den Miniballons. Normalerweise hätte Bau(m)herrin jetzt google und die Gelben Seiten konsultiert, hier hat sie nur ein Handy und Meisterarchitekten-Nummer. Inzwischen hat sie sich wieder erinnert, wie das Zeugs richtig heißt: Luftpolsterfolie. Ebay-sei-Dank.
Meisterarchitekt findet auch, dass Kellertüre bleiben soll, nicht wegen des Heizens, sondern des Öl-Geruchs. Hauptsache, wir sind uns im Ergebnis einig. Um die Folie will er sich kümmern. Kurz darauf Rückruf, die Folie gibt es in einem 52km von Bau(m)stelle entfernten Ort, davon 9km auf Schnellstraßen. Bau(m)herrin wird jetzt nicht zweimal 00h59 fahren davon 00h06 auf Schnellstraßen. Sie will nämlich Tapeten attackieren.
Zwei Tapetenbahnen später erneuter Meisterarchitekten-Anruf. Für den fast doppelten Preis gibt es 100 Meter Luftpolsterfolie in einem 11km entfernten Ort, davon 200 m auf Schnellstraßen. Bau(m)herrin wird auch keine 00h19 dorthin fahren, auch wenn sie für 200m Schnellstraßen 00h00 Minuten brauchen wird. ?Via-Michelin?
Meisterarchitekt lockt sie mit inzwischen sonnigem Wetter und offenem Dach. No Sir, wir machen Tapeten. Wunderwaffe kommt auf seiner Heimreise in benanntem Ort vorbei, kann die Folie morgen mitbringen.
Es war einmal, vor langer langer Zeit, eine studienbeginnende Bau(m)herrin, die eine Unterkunft suchte. Auf der Suche lernte sie ihren zukünftigen Lieblings-Studienfreund kennen, dieser kannte weitere Studienfreunde. Die versammelte Studien-Freundschaft hatte Glück und fand eine große Wohnung ein einem (richtig) alten Fachwerkhaus. Bevor Sie dort bis an ihr Studienende glücklich leben durften, stand Renovierung an. Mit Zeitungskäppi auf den Haaren reist junge Bau(m)herrin begeistert aus Heimatort an. Die fünf Studienfreunde setzen ihr das Käppi ab und teilen neues Aufgabengebiet zu: Wurstbrote! Unzählige Anläufe, doch mal ein Tapetenfitzelchen abzuzupfen, scheitern an geschlossener Aufmerksamkeit der fünf Herren. Sie hatten Bau(m)herrin zur WG-Prinzessin erklärt und Prinzessinen dürfen nicht mit Tapeten in Kontakt kommen. Aber mit Wurstbroten, bäh.
Gebrochene Herzen erkranken - Prinzessin bekommt Fieber, hustet, legt sich eine Erbse unter die Matraze und ward drei Tage lang nicht mehr gesehen. Die Herrenschaft serviert großmütig Wurstbrote auf eine Bettdecke, unter der sie Prinzessinenkopf vermuten.
In den Folgejahren stand Prinzessin auf jeder verfügbaren Tapeten-Baustelle, verfeinerte ihre Technik und träumte fortwährend vom Tag, an dem sie die eigenen Tapeten behandeln darf.
Und ausgerechnet jetzt will Meisterarchitekt sie auf ferne Reisen schicken. Worum sorgt er sich? Um den Putz? Die Tapeten? Dass Bau(m)herrin etwas Entsetzliches entdeckt und von der Leiter fällt?
Inzwischen ist Raumfee erschienen - steht hilflos in der Bau(m)stelle und fragt, was sie tun soll. Na, Tapeten ablösen. Das hat sie noch nie gemacht, sie durfte bisher nicht einmal eine Wand anmalen. Was ist das nur mit den Männern und den Tapeten?
Nach kurzer Verunsicherung wächst Raumfees Begeisterung: "Was man bei Ihnen alles lernen kann, Sie machen das echt perfekt."
Vielleicht sollte Raumfee sich mal mit Meisterarchitekt in Verbindung setzen...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen