Heute stand Bau(m)herrin in einer großen Küche und betrachtete das Photo, wie sie bewaffnet mit Schlapphut vor xx Jahren Tapeten an eben jener Küche abkratzte. Das ist tatsächliche zwanzig Jahre her. Und es war Rauhfaser, ganz eindeutig.
Sie begann "Verdammt lang her" zu singen und verzieh sich alle am Vortag vollbrachten Fehler.
Erstens hatte sie sich das kleinste Zimmer ausgesucht. In der irrigen Meinung, das sei schneller und damit günstiger für die Tagesmotivation.
Zweitens hatte sie bereits nach dem ersten, viel zu kurzen Schaumbad die Spachtel angesetzt. Die selbe erfolglose Aktion versucht sie nach dem zweiten und dritten Bad. Dabei waren ihr seitens der Rennmausschaft mindestens vier Vollschaumbäder mit Massage empfohlen worden.
Bau(m)herrin flucht, ernennt sich zum lebenden Mega-Scheibenwischer, entwirft Tapetenschaumbad-Massagebürsten in Ahnlehung an Autowaschanlagen, das Tapetenfitzel ist nicht zu erweichen. Bis es sich nach dem vierten exakt getimten Schaumbad allein von der Wand löst. "Du bist ja eine echte Paris Hilton, Du Tapete Du! Erst vier Vollschaummassagebäder, dann darf die Spachtel nicht zum Zuge kommen."
Versuche, den Ablauf auch nur leicht abzuändern, scheitern. Spachtel liegt schmollend auf dem Boden. Bau(m)herrin verspricht ihr, unsere Paris an den nächstbesten Chihuahua zu verfüttern.
Auch die Raumwahl entpuppt sich als Fehler. Lauter kleine Eckchen und Über-Eckchen, jedes Poppelstückchen verlangt die vierfache Behandlung und entfleucht dann der Spachtel.
Die Rennmausschaft muss das geahnt haben, denn Bau(m)herrin wird zur Mittagspause mit einem echten Profi-Maler-Käppi geadelt. Die Haarpracht ist zwar schon längst hinüber und tapetenlöser-veredelt, doch sie trägt das Käppi stolz zum Italiener, wo Pu und Kind sie erwarten. Auf dem Weg ein Anruf von bekannter Nummer (Pu) mit völlig unbekannter Stimme. Wurde Pu's Handy geklaut? Die merkwürdige Stimme fragt, was Bau(m)herrin zu essen wünscht. Ein Dieb würde nicht wissen, dass wir jetzt zum Essen erwartet werden. Diese Blechstimme unterdrückt ein Kichern, jetzt haben wir sie erkannt. "Mein liebes Kind, wir müssen umgehend zu Frau Doktorin Heilthervorragend."
Das Käppi kommt gut an - man nimmt mich als Profi wahr. Das Kichern hab ich übersehen...
"Wo warst Du denn so lange?"
"Bin an Paris Hilton festgeklebt."
Ein Thunfischsteak, eine Verabschiedung von Pu und einen Chauffeursdienst quer durch die Stadt später kommen wir wieder bei besagter Dame an. Zur besseren Motivation holen wir die "Mamma Mia"-CD aus Sophie und singen beim Scheibenwischen mit. Rechts - links - rauf - runter und immer weiter so, bis es richtig schäumt. Draußen füllt sich Container mit Schmoddermasse und wir Versagerteam kommen mit dem Nähkästchen nicht voran. Könnte die Männerverschwörung eventuell Recht gehabt haben?
Im Jahre 2012 beginnt sich die neue Küche aufzulösen, der Erneuerungsanstrich steht an, Kind will in den Urlaub fahren, aber Bau(m)herrin hängt im dritten der vier notwendigen Schaumbäder für die vorletzte Bahn von Nähkästchen-Paris. Chihuahua hat sich immer noch nicht gemeldet...
Die Rennmäuse brauchen dringend Sauerstoff -> Kaffeepause. Bau(m)herrin kann nicht an sich halten, ihr rutscht ein kleiner Fluch raus. Rennmausschaft grinst vielverstehend. Die müden und 20 Jahre zu alten Knochen in's Nähzimmer geschleppt und weiter im Text. Wir könnten uns ja 2015 in einer Autowaschanlage anmelden - bis dahin sind wir besser als jede Maschine.
Jetzt fängt auch noch der Stachelrochen an zu stottern. Eine willkommene Abwechslung. Schnell von der Leiter gehüpft, oh, die steht im Weg. Ganz schön eng hier. Geh mal da rüber, Du Leiter. Leiter stößt gegen Ecke, Eimer auf Leiter verliert Gleichgewicht und entleert sich. Eine Hälfte auf Bau(m)herrinen-Hose, zweite Hälfte auf den Boden. Kein normaler Boden, sondern die Holz-Lattung mit darunter liegender 70 Jahre alter Schlacke(l). Stachelrochen stottert lautstark weiter.
Jetzt nur nicht die Nerven verlieren. Durch Pfütze geschleudert (Tapetenlöser auf Holzlattung rutscht), weiter im Flur (auch hier Rutschpartie), kein Bodenlappen verfügbar. Nehmen wir neues Geschirrtuch. Zurückgeschleudert und Geschirrtuch auf die Pfütze geworfen. Der Tapetenberg tropft. In Wohnzimmer geschleudert, blauen Müllsack geschnappt. Das Teil will sich nicht öffnen lassen. Stachelrochen stottert weiter.
Blick auf Hosenbeine - hoffentlich kommt jetzt keine Rennmaus vorbei. Handschuhe ausgezogen, mit bloßen Händen weiter versucht, diesen blöden Sack zu öffnen. Endlich. Ersten Berg tropfender Tapeten in Müllsack gepackt. Handschuhe wären angebracht, so kleben die Finger zu. Käppi rutscht, schnell befestigt - wo sind die Handschuhe nur geblieben? Stachelrochen röhrt.
Peinlich, peinlich. Langsam wird das durchtränkte Bein eiskalt. Zeugs in Müllsack gestopft, draußen nimmt Rakete Anlauf auf die Treppe. Jetzt aber schnell, egal wo Handschuhe sind. Käppi rutscht wieder, nochmals stabilisert. Stachelrochen abgestellt und geschafft: Wunderwaffe ruft Kaffeepause aus - alle verdächtigen Spuren beseitigt.
Wir begeben uns fast gut gelaunt zur Kaffeepause. Besorgte Blicke auf Hosenbein und Haarpracht. Mir war halt zu heiß und was mit den Haaren los sein soll - keine Ahnung. Das Käppi rutscht...
Nee, ich hab die Wahrheit gebeichtet. Anstatt mich endgültig von der Tapete zu entfernen, reagieren sie mit Verständnis. Kleine Räume sind wirklich schwieriger und shit happens. Irgendwie scheint die Mausschaft erleichtert, dass Bau(m)herrin am eigenen Bein erlebt hat, wie schwierig mitunter die einfachsten Dinge sein können, wenn es sich um eine Bau(m)stelle handelt.
Dabei habe ich noch nicht einmal erzählt, dass ich die Zweit-Chipkarte der Kamera bei 30° in der Waschmaschine gereinigt habe. Geschweige denn, dass die Kamera selbst jetzt (hoffentlich) friedlich bei Patenkind in der entfernten Großstadt schlummert. Morgen geht es an Paris die Zweite im Wohnzimmer. Hab ich die Kamera mit Absicht liegen lassen? Autofahren hat in den letzten Tagen deutlich an Attraktivität gewonnen.
Ende eines tapetenwürdigen Samstag: Nähkästchen ist bis auf Decke erledigt, die erste Wand des Wohnzimmers ging wesentlich schneller. Dann nach Hause gedüst, Haarpracht mit Meister Propper-Tapetenlösungs-Mischung gereinigt, Handtuchturban auf den Kopf, Chauffeursdienst bis an's andere Ende der Stadt (mit Turban), Geld geholt (mit Turban), Essen geholt (mit Turban), gefönt + gegessen und ab in die Falle (ohne Turban).
Wenn mir bis morgen mittag kein Chihuahua zur Verfügung gestellt wurde, werde ich Paris der Rennmausschaft überlassen müssen.
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