In diesem Fall jedoch gab es plausible Gründe für den Zeitdruck. Neun Tage später saßen sie bereits beim Notar, den Termin hatten sie 'geerbt' - von denen, die eigentlich...
Ein wenig ein schlechtes Gewissen plagte Bau(m)herrin schon wegen der anderen Familie, andererseits hatte sie dieses Schicksal auch zweimal erlitten. Häuserkaufen kann nicht schmerzlos vor sich gehen.
Nach diesem Hau-Ruck-Verfahren war wieder Zwangsstillstand angesagt. Zeit für Zweifel...
Warum? Man nehme die ästhetischen Eindrücke dieser Bilder:
und addiere die Gerüche eines seit langem nicht mehr richtig geputzten, seit 2 Jahren unbewohnten und ungelüfteten Hauses. Man mag mich oder den Architekten virtuell immer noch als etepetete einstufen - heute weiß ich, dass uns gravierende Fehler unterlaufen wären, hätten wir uns auf die Versuchung eingelassen, bereits in diesem Zustand loszuplanen.
Wir hofften, dass die vertraglich vereinbarte Entrümpelung zügig stattfinden würde. Der Verkäufer verhandelte mit einer Firma, die er zuvor bereits kannte. Diese wollte am 1. März beginnen - ich organisierte einen Entrümpler, der bereits in der ersten Februar-Woche fertig gewesen wäre. Aus hier nicht näher zu erläuternden Gründen beharrte der Verkäufer auf seine Firma. Nun gut, oder eher nicht gut, am 15. Februar hatten wir trotz der widrigen Umstände Großkampftag mit Meistern der wichtigsten Gewerke. Auftrag: Diagnose-Erstellung.
Planung:
8:00 Uhr Meister Kanal/Rohr
ab 9:00 Uhr Meister Architekt und zwei Mitarbeiter
9:30 Uhr Meister Zimmermann/Dach und Meister Statik
13:00 Uhr Meister Sanitär/Heizung und Meister Elektro
Diagnose I: Darmspiegelung
Um 8:30 Uhr erscheint Bau(m)herrin vor Ort. Meister Kanal/Rohr begrüßt sie mit Kopfschütteln und Video-Standbild. Die Darmspiegelung zeigt häßliche Verwachsungen, die Kamera kommt durch das verbleibende Löchlein nicht weiter. Bau(m)herrin schaut fragend, Meister Kanal zeigt auf eine Kiefer und einen Ahorn. Aha - Wurzeln. Freifräsen? Oh, wo ist mein Architekt, ich weiß nur, dass der Notar mir von Vorleistungen schwerst abgeraten hat. Meister Kanal beruhigt, er müsse ohnehin noch vorbereiten.
Bau(m)herrin denkt sich, wo der sonnige, warme Winter geblieben ist, das Wetter scheint sich der häuslichen Verfassung anpassen zu wollen. Sie steht bibbernd da und studiert erstmalig die herumstehenden Bäume. Irgendwie ganz schön viele... ganz schön große... manche ganz schön krumm...
Sie fragt Meister Kanal, ob es Dauer-Abo-Ermäßigungen bei ihm gibt. Er grinst und rät, die Bäume zu fällen. Bau(m)herrin müsse sich jedoch erkundigen, das dürfe man nur bis März oder April. (April wäre gut, am 15. März ist Übergabe). Manchmal könne man auch ausnahmsweise nach dem Termin fällen, wegen U
... da kommt die Hoffnung in Gestalt des Architekten an. Er entscheidet, dass die Vorleistung (Fräsen) sinnvoll sei und erklärt die jetzt offensichtliche Ursache der Wasserschäden im Neubau. Die Regenrinnen im Altbau laufen nämlich in's Haus, damit wurde früher Wäsche gewaschen. Ökologisch wertvoll, ob wir das reaktivieren sollten? Andere bauen sich heutzutage Zisternen dafür ein. Zurück zum Wasserschaden: Abwasser von Alt- und Neubau treffen aufeinander, das Löchlein im Darm ist zu klein für die Regenwassermengen von oben, also laufen die ins UG des Neubaus.
Eine biologische Rückstauklappe sozusagen. Leider falsch herum konzipiert :-(.
Auf die Überlegungen, wie man die von Menschenhand gestalteten Rückstauklappen sinnvoll platziert, reagiert Meister Kanal etwas ungläubig, ob der Altbau etwa erhalten bleibe. Architekt und Bau(m)herrin sagen ihr Sprüchlein auf: "eigentlich schon".
Diagnose II: Das Skelett
Während Meister Kanal losfräst, erscheint Meister Zimmermann. Architekt erklärt, dass Meister Statik wegen Krankheit abgesagt hat. Bau(m)herrin hat Verständnis. Meister Zimmermann wirft Blick auf Altbau und fragt, ob die Option Abriss ausgeschlossen sei. Wir sagen unser Sprüchlein auf. "Also dann", meint der skeptische Zimmermeister, "schau 'mer mal."
Er quält sich durch die schmalen Pfade, klopft, schweigt, inspiziert. Bildet sich die Bau(m)herrin das nur ein, oder ist da ein Hauch von Entspannung in den Gesichtszügen? Architekt und Zimmermeister tauschen Diagnose-Bestandteile aus - es ist wie in der Klinik, Bau(m)herrin versteht nichts von Mittelsparren, Pfetten usw. Um in ihrer Verunsicherung die beiden nicht mit dummen Fragen zu belästigen, flieht sie zur Darmspiegelung. Kanalmeister erklärt ihr, wie die Fräse mit Wasserdruck angetrieben wird - 6,5 Meter waren zugewachsen. Jetzt kommt die Kamera durch - an den Übergängen hüpft sie. Irgendwie hat sie was von Stuart Little.
Die Wurzeln haben alles kräftig verschoben. Lässt sich so etwas sanieren? ->Ja. Muss man dazu alles aufbuddeln? ->Nein. *steinvomherzenfall*
Wieder rein zu Meister Zimmermann - er kommt strahlend vom Dach: das Haus ist nicht nur grundsolide, es wird auch noch schön! Besonders das Dach sei erstklassig. So schnell kann das gehen: von Abriss zu erstklassig.
Dann öffnet Meister Architekt die Mauer. Bau(m)herrin kennt das schon, das macht er mit dem Schraubenzieher. Moment, was ist das? Meister Zimmermann und Bau(m)herrin tauschen einen ungläubigen Blick aus. Das ist kein Schraubenzieher, das ist ein Vorschlaghammer! Bevor wir etwas sagen können, ist ein Loch in der Wand. Und das Haus steht noch. Diagnose wieder unverständlich, jetzt werden Fliesen abgeklopft und die Bohrmaschine gräbt sich in den Boden.
Zusammenfassendes Fazit für die Bau(m)herrenschaft: solider Bestand, mit dem Dach lässt sich wunderbar bauen (Gaupen o.ä.), auch der Herzenswunsch des Kindes ist realisierbar: Freilegen der Dachkonstruktion.
Die Gretchenfrage (wird einen eigenen Eintrag erhalten) beantwortet Meister Zimmermann ganz entsprechend der bisherigen Bau(m)herrinnen-Erfahrung: Experten sind sich einig.
Die beiden Mitarbeiter des Architekten messen das Häusle mit einem tollen Gerät aus - hinhalten, Knöpfchen drücken, ablesen. Auch deren Skepsis scheint zu sinken, sie kommen die Treppe herunter und muntern Bau(m)herrin auf: "das Häusle ist schön." Können die den unentrümpelten Inhalt etwa geistig wegretouchieren? Warum kann Bau(m)herrin das nicht???
Trotz Kälte kommt bei Bau(m)herrin langsam ein Gefühl der Hoffnung auf... Sie holt ein paar warme Nudeln beim Stamm-Italiener, und freut sich, dass Kind so früh aus der Schule erscheint. Picknick im Auto - Bau(m)herrin friert.
Diagnosen III + VI - Kreislauf und Nervensystem
Meister Elektro erscheint und murmelt etwas Unverständliches - den Begriff 'Abriss' erhört Bau(m)herrin dennoch sofort. Warum nur? Meisterarchitekt undBau(m)herrin sagen ihr Sprüchlein auf.
Diese beiden Gewerke sind weniger spannend, da sogar Laien-Bau(m)herrin klar war, dass hier mehr Malades als Solides zu erwarten war. Dreipolige neue Elektroleitungen im OG überraschen zwar kurz. Die Nachricht, dass alles Aufputz und an einem Stromkreis hängt, dann wieder nicht.
Meister Sanitär ist so schnell und gründlich, dass Bau(m)herrin ihn nicht zu Gesicht bekommt. Wenn alles hinter ihnen liegt, wird sie Meisterarchitekten fragen, ob er auch bei ihm das Sprüchlein aufgesagt hat ;-)
Alle Meister zeichnen ihre Befunde in Pläne, die von Architektenmeister eingesammelt werden. Kanal-Meister, jaaa, er war lange zugange, ist inzwischen auch optimistischer geworden, was den Altbau betrifft. "Des wird schee", hach, das ist doch ein richtig gutes Fazit für die Bau(m)herrschaft.
Bau(m)herrinnen-Fazit:
- Eine Serie wie "Emergency Room" für Häuser wäre hilfreich, damit Bau(m)herrschaften nicht nur aus Mimik und Tonfall des Meisterarztes die Bedeutung der Diagnose erahnen müssen.
- Glückliche Fahrt nach Hause, unter der heißen Dusche beginnen graue Zellen wieder zu arbeiten. Zentrale Frage bildet sich heraus: Was genau verstehen Meister-Handwerker unter "schön"???
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen