Sonntag, 11. März 2007

Unser Pensionsgast


Dieses knuffige Mädel ist seit letzter Woche Pensionsgast im Bau(m)herrschaften-Haushalt. Als sie ankam, war sie in oberflächlich betrachtet desolater Verfassung. Bau(m)herrin hatte eine Vermutung, wollte aber keine falschen Hoffnungen wecken und hielt den Mund (ja, manchmal geht das). Ein paar Abende und jede Menge Wattestäbchen später bestätigte sich mein Verdacht: das Möhrchen ist robust und hat einen erstklassigen Dachstuhl Optik. Sie soll zu einem runden Geburtstag verschenkt werden - ich bin mir ziemlich sicher, dass wir ein paar (schöne?!?) Aufnahmen von ihr mitschenken können.

Noch ist sie in Behandlung - Bäder, Peelings, Pflegeprodukte. Das Leder wird der ortsansässige ehemalige Schuhmacher übernehmen. Sie ist aus derselben Generation wie unser Häusle, vermutlich 2-3 Jahre älter. Beide lassen sich nicht exakt datieren, aber die Generation ist entscheidend. Ich weiß nicht, wie Meisterarchitekten Häusles einschätzen. Ich für meinen Teil hatte seit dem Tsunami eine nicht unerhebliche Zahl von Kameras aus verschiedenen Generationen näher kennen- und beurteilen gelernt.

Hier meine Kriterienkatalog für dieses Möhrchen:
  • hygienetechnisch richtig eklig ihhhh - Alptraum jeder (schwäbischen) Hausfrau
    • sehr gut -> niemand hat daran herumgeschustert
  • geruchstechnisch auch nicht anziehend
    • entscheidend: kein Alarmgeruch (Schimmel, Pilz, Feuchtigkeit)
  • Optik nominal sehr gute Wahl
    • Gefahrenpotenzial: Pilz zwischen Linsengruppen ist nicht erriechbar
  • Verschlusstechnisch das ältere, schlichte Modell
    • zuverlässig + robust
    • verschiedene Zeiteinstellungen unterscheiden sich hörbar (1/100 Sek gegenüber 1/25 Sekunde) -> sehr gut, aber stimmen die Zeiten absolut gesehen?
  • Selbstauslöser rattert vielversprechend
  • kein Marke(ti)n(g)produkt, nach außen gibt sie sich bescheiden
    • damals waren No-Names ausgelegt auf das, was man damit machen wollte. In diesem Fall gute Bilder.
Alles gute Anzeichen, die Reinigung bestätigt diese Tendenz bis heute. Und doch weiß ich erst nach Entwickeln des Filmes, ob sie wirklich so intakt ist, wie ich vermute. Da ist eine leichte Ablösung auf der Rückseite des ersten Linsenglieds (Emergency Room für Kameras gefällig?) das ist normalerweise nicht schlimm. Normalerweise. Warum nur erinnert mich dieser Unsicherheitsfaktor an die Risse im Häusle? Wissen Meisterarchitekten auch erst dann ganz sicher, dass die Risse harmlos sind, wenn die Bau(m)herrenschaft im Häusle überlebt hat?

Das knuffige Mädel sollte ohnehin nur verschenkt werden, um in einem Regal ihre Schönheit auszustrahlen. Kann ich das Häusle auch in's Regal stellen, wenn es wider aller Erfahrung nicht klappt? Andererseits weiß ich, dass so ein Mädel auch heute noch schönere Bilder machen kann als die beste Digitalkamera ihrer Preisklasse. Wenn man sich ein wenig aus der vermeintlichen Bequemlichkeit begibt.

Manch einer hat sich gefragt, was ich eigentlich mit meiner autodidaktischen Kamera-Kosmetikausbildung einmal anfangen will. So ganz genau weiß ich es auch erst heute: Ich wollte ein Häusle kaufen und mich dabei auf Experten verlassen müssen, ist doch klar.

Ach ja, und im Leben nie käme ich auf die Idee, dem Mädel geschwollene Augen, Theo-Waigel-Augenbrauen und einen Schneeanzug zu verpassen, weil die Filme es heute so erfordern... Ups, wir schrammen knapp an der Gretchenfrage vorbei.

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